Kinofilm «25 km/h»

 GO17364Wie Tischtennis zwei Brüder wieder zusammenbringt

In einer Berliner Tischtennisschule haben sich die Schauspieler auf die Dreharbeiten zum Kinofilm 25km/h vorbereitet. Susanne Heuning berichtet in ihrem Artikel, der ursprünglich in der Oktober-Ausgabe von „tischtennis“ erschienen ist, wie es den Beteiligten dabei ergangen ist.

Text: Susanne Heuning, tischtennis / Fotos: Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH

 

Markus Twisselmann ist sich ziemlich sicher. „Die könnten beide inzwischen im Ligabetrieb teilnehmen“, sagt er über zwei Schützlinge, mit denen er und Hartmut Lohse im vergangenen Jahr viel trainiert haben. Als Betreiber der Tischtennisschule Berlin bekommen sie ab und an mal speziellere Aufträge; dieser war dann aber doch schon sehr ungewöhnlich. Es galt, die Schauspieler Bjarne Mädel und Lars Eidinger fit zu machen für Dreharbeiten zum Kinofilm 25 km/h – und anschliessend auch den Dreh der Tischtennisszenen zu begleiten und dem Filmteam beratend zur Seite stehen, damit die Szenen authentisch rüberkommen. Mädel (unter anderem bekannt aus Stromberg, Mord mit Aussicht, Der Tatortreiniger) und Eidinger (Tatort, Babylon Berlin) spielen in 25 km/h zwei Brüde, die früher im Verein gespielt haben, sich lange nicht gesehen haben – einander dann aber schnell wieder am Tisch gegenüberstehen.

 

Nicht so einfach

 

Blutige Anfänger waren die Schauspieler nicht, beide hatten  früher Tennis gespielt und haben in Kindheit und Jugend auch häufiger mal einen Tischtennisschläger in der Hand gehabt.  Eidinger hatte sogar recht ambitioniert Tennis gespielt, bis er ganz auf die Karte Schauspielerei setzte, „und im Tischtennis war ich im Freundeskreis lange absolut unschlagbar“, sagt er. „Bjarne und ich haben das sehr ernst genommen und schnell eingesehen, dass es gut wäre, sich von jemandem, der das leistungsmässig macht, was zeigen zu lassen“, sagt Eidinger. „Als die Trainer uns die Bälle zugespielt haben, haben wir natürlich erst gedacht „Mann, sind wir gut.“ Schwieriger wurde es, das zu reproduzieren, wenn wir untereinander gespielt haben.“

 

Mit wie viel Fleiß und Hingabe die Schauspieler bei den Einheiten in Neukölln und Lichtenberg trainiert haben, das hat ihre beiden Trainer beeindruckt. „So was habe ich selten erlebt“, sagt B-Lizenz-Coach Markus Twisselmann. Anfangs sei es erst mal darum gegangen, etwas Ballsicherheit zu gewinnen. „Lange Ballwechsel zu schaffen, ist für Anfänger ja immer schwierig. Also haben wir Spielzüge einstudiert, damit die Sicherheit größer wird, Vertrauen in die Spielstärke geschaffen wird.“ Was man dann vor allem trainieren musste, waren Bälle mit Rotation, Aufschläge, Rückschläge – und das über Wochen. Zehn Doppelstunden seien es bestimmt gewesen, schätzt Eidinger.

 

Die im Film vorkommenden Tischtennis-Szenen nehmen im Film am Ende jeweils ein paar Minuten ein, haben aber summa summarum je zwei Drehtage beansprucht. Dies liegt wohl auch daran, dass die Schauspieler in den Filmszenen nicht frei drauf los spielen durften, sondern alle Ballwechsel durchchoreographiert waren. Wir haben mit der Regie überlegt, wie die Spielfolge ist, wie sich ein Ballwechsel entwickeln kann, wann am besten welcher Ballwechsel kommt. Wie gehen Doppelpartner miteinander um, was sind typische Rituale und Gesten – bei all solchen Fragen waren wir am Set eingebunden“, sagt Twisselmann. Das gesamte Team sei sehr detailverliebt zu Werke gegangen, kein Aufwand war zu groß. Da wurden am Drehtag noch mal andere Bälle besorgt oder ein Steintisch bei Twisselmann zuhause vorgefahren, damit der testen kann, ob die Spieleigenschaften des Tisches gut genug sind.

 

Kantenbälle auf Abruf

 

Im Film spielen Mädel und Eidinger auch gegen einen Camper, gespielt von Wotan Wilke Möhring, und dessen Sohn. Auch mit Wilke Möhring haben die Berliner Trainer im Vorfeld zusammengearbeitet. Und sie halfen dem Filmteam, einen Darsteller zu finden, der Möhrings Filmsohn spielt und an seiner Seite im Doppel aufschlägt. Twisselmann schlug Erik Mittelstaedt vor, einen seiner Schützlinge beim TTC Neukölln. Eine kurze Vorstellung per Videoclip und schon hatte der 19-Jährige die Rolle in der Tasche. „Mit seiner trockenen, guten Art war er der perfekte Sohn für Wotan“, sagt Regisseur Markus Goller. Für Mittelstaedt war es der erste Job dieser Art, sonderlich nervös sei er aber nicht gewesen, so der Abiturient, der nach der Tischtennisszene noch eine weitere an der Seite Möhrings spielte. „Die wussten ja, worauf sie sich mit mir einlassen und haben sich alle ganz gut auf mich eingestellt, das war easy“, sagt er „Die Schauspieler waren supernett, alle ganz offen. Und sie konnte ganz passabel Tischtennis spielen.“

 

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Den schwierigsten Part in der Doppelpartie musste der junge Berliner übernehmen – und einen Ball an die Aussenkante spielen. „Tatsächlich hat er den Ball dreimal in sieben Versuchen direkt vor der Kamera an die Kante gepackt“, sagt Markus Goller. Eidinger war ähnlich begeistert: „Dass dieser Ball live eingespielt wurde, hat mich schon fasziniert.“

 

Kindheitserinnerungen

 

Dass Tischtennis überhaupt eine Rolle in dem Film spielt, ist Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg und dessen Vergangenheit zu verdanken. Als er am Drehbuch für den Film arbeitete, suchte er nach einer Möglichkeit, die zwei Brüder, die sich lange nicht gesehen und ziemlich entfremdet haben, wieder zueinander zu bringen. Dann erinnerte er sich an die eigene Jugend. „Ich bin in einem Dorf in Baden-Württemberg aufgewachsen, und wir hatten in unserem Dachgeschoss eine Tischtennisplatte stehen. Dort haben mein Bruder und ich unsere halbe Jugend verbracht“, sagt Ziegenbalg. „Und immer, wenn mein Bruder und ich später meine Eltern besucht haben, zum Beispiel an Weihnachten, haben wir dort oben der alten Zeiten wegen wieder gespielt.“

           

Susanne Heuing

 

Link zum Originalartikel

 

25KMH Hauptplakat

Der Film

Nach fast 30 Jahren treffen sich die Brüder Georg (Bjarne Mädel) und Christian (Lars Eidinger) auf der Beerdigung ihres Vaters wieder. Beide haben sich zunächst wenig zu sagen – Georg, der Tischler geworden ist und seinen Vater bis zuletzt gepflegt hat, und der weitgereiste Top-Manager Christian, der nach Jahrzehnten erstmals zurück in die Heimat kommt. Doch nach einer langen Nacht mit reichlich Alkohol beginnt die Annäherung bei einer Partie Tischtennis. Beide beschließen, endlich die Deutschland-Tour zu machen, von der sie mit 16 immer geträumt haben – und zwar mit dem Mofa. Völlig betrunken brechen sie noch in derselben Nacht auf. Trotz einsetzendem Kater und der Erkenntnis, dass sich eine solche Tour mit über 40 recht unbequem gestaltet, fahren sie unermüdlich weiter. Während sie schräge Bekanntschaften machen und diverse wahnwitzige Situationen er- und überleben, stellen sie nach und nach fest, dass es bei ihrem Trip nicht allein darum geht, einmal quer durch Deutschland zu fahren, sondern den Weg zurück zueinander zu finden.  

Deutschschweizer Kinostart: 8. November 2018

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